Diese Seite beschäftigt sich mit der Koordination innerhalb des menschlichen Bewegungsapparates. Mit Koordination ist in diesem Zusammenhang das Zusammenspiel von Zentralnervensystem und Skelettmuskulatur innerhalb eines gezielten Bewegungsablaufs gemeint. Muskelaktivitäten werden dabei vom zentralen Nervensystem in räumlicher und zeitlicher Abstimmung gesteuert um einen zielgerichteten und ökonomischen Bewegungsablauf zu ermöglichen. Wir werden uns innerhalb dieser Seite noch mit den Aufgaben und Einflussfaktoren der Koordination beschäftigen und auch darauf eingehen, wie der menschliche Körper Signale verarbeitet. Außerdem gibt es auch einen großen Teil zum Training der Koordination mit praktischen Beispielen und Übungen.
Eine Zusammenfassung über die wichtigsten Merkmale der Koordination findet sich in folgender Aufstellung:
[tab label=”Aufgaben” first=”yes”]
Die Aufgaben der Bewegungskoordination:[list icon=”sign-in”]
- Bewegungslernen: rascher und effektiver
- Beeinflussung Ausnutzungsgrad konditioneller Fähigkeiten
- Erhöhung Wirkungsgrad bereits vorhandener Fertigkeiten/ Konstanz
- Förderung adäquater Anwendungen von Bewegungen
- erhöhte Motivation durch variables und variantenreiches Üben[/list]
[/tab]
[tab label=”Einflussfaktoren”]Einflussfaktoren der Koordination[list icon=”sign-in”]
- Qualität der Analysatoren
- Sensomotorisches System
- Funktionsniveau zentral- und periphernervaler Prozesse des Stütz- und Bewegungssystem
- Körpererfahrung
- Wechselbeziehung Information – Verhalten
- In unterschiedlichen Ausmaß trainierbar
- Athletische Intelligenz
- Kognitives Funktionspotential[/list][/tab]
[tab label=”Informationsaufnahme”]Informationsaufnahme – Analysatoren und Wahrnehmungskanäle[list icon=”sign-in”]
- Optisch
- Akustisch
- Taktil
- Vestibulär (Gleichgewichtsorgan)
- Kinästhetisch (Bewegungsempfinden)[/list][/tab]
[tab label=”Handlungseinteilung” last=”yes”]Einteilungskonzeptes für die Zuordnung von Handlungen:[list icon=”sign-in”]
- offen – geschlossen
- zyklisch – azyklisch
- ohne Zeitdruck – unter Zeitdruck
- einfach – komplex (+kombiniert)
- grobmotorisch – feinmotorisch[/list][/tab]
Differenzierung der Koordination
Die Koordinationsfähigkeit ist sehr vielschichtig und lässt sich in verschiedenen Arten weiter differenzieren und somit in “Unterkapitel” einteilen. Für die Differenzierung koordinativer Fähigkeiten gibt es drei verschiedene Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist ein hierarchisches Ordnungssystem, das in der Praxis wohl am meisten bekannt ist. Die zweite Möglichkeit ist die Einteilung nach der Aufgabenstruktur bzw. koordinativer Kompetenz und die dritte Möglichkeit ist die Einteilung nach dem Sportartbezug (allgemein – speziell).
Hierarchisches Ordnungssystem
Das hierarchische Modell kann auch als Strukturmodell in Anlehnung an den Schulsport verstanden werden und besteht aus fünf verschiedenen Fähigkeiten, die alle zusammen die Koordinationsfähigkeit eines Menschen ergeben. In der nachfolgenden Aufstellung werden diese Fähigkeiten vorgestellt:
[tab label=”Reaktion” first=”yes”]
Die Reaktionsfähigkeit ist die Fähigkeit zur schnellen Einleitung und Ausführung zweckmäßiger kurzzeitiger motorischer Aktionen auf ein Signal. Unter Reaktionszeit versteht man die Zeit vom Setzen eines Signals (eines Reizes) bis zu einer verabredeten, geforderten Muskelbewegung.
Eine Reaktion setzt sich dabei aus vier Phasen zusammen: Reizaufnahme – Reizverarbeitung – Impulsgebung – Bewegung
Strukturierung der Reaktionsfähigkeit[list icon=”sign-in”]
- Nach der Signalart
- Optisch (z.B, Ball kommt auf einen zu)
- Akustisch (z.B. Startsignal in der Leichtathletik)
- Taktil (z.B. aufgrund einer Berührung muss man sich z.B. zu drehen beginnen)
- Kinästhetisch (Fahrradfahrt, es beginnt plötzlich das Vorderrad zu rutschen – Reaktion)
- Vestibulär (Gleichgewicht)
- Nach der Art der Bewegungsausführung
- Einfachreaktion (z.B. es kommt ein Signal und man weiß im Vorhinein immer was dann zu tun ist – Startblock – Startsignal)
- Antizipierte Reaktion (aufgrund meiner Erfahrung weiß ich, dass es zu bestimmten Bewegungen kommt, dh ich muss darauf warten, bis der Ball zu mir kommt)
- Komplexreaktion (bei mehreren Möglichkeiten zu reagieren)
- Unterscheidungsreaktion (man muss selbst unterscheiden was der Gegner macht – viele Möglichkeiten)
- Auswahlreaktion (ebenfalls selbst entscheiden, aber nur aus zwei Möglichkeiten)[/list]
[/tab]
[tab label=”Rhythmus”]
Unter Rhythmisierungsfähigkeit versteht man die Erfassung und Darstellung vorgegebener bzw. im Bewegungsablauf enthaltener zeitlich-dynamischer Gliederungen. Man kann also von der Abstimmung der Bewegung auf einen bestimmten Rhythmus sprechen, wobei Rhythmus die regelmäßige Abfolge von Mustern ist und der Takt als äußere Vorgabe interpretiert werden kann.
Stellenwert der Rhythmisierung:[list icon=”sign-in”]
- Kriterium für Güte eines Bewegungsablaufes
- Bewegungsökonomie
- in technisch-kompositorischen Sportarten leistungsbestimmend
- in allen Sportarten für Bewegungslernen („motorische Reproduzierung“)
- Stellenwert abhängig von
- Komplexität der Bewegung
- Trainingszustand[/list]
Beispiel: Laufen vs. Hürdenlaufen
[/tab]
[tab label=”Gleichgewicht”]
Die Gleichgewichtsfähigkeit ist die Fähigkeit, den gesamten Körper im Gleichgewichszustand zu halten oder während und nach einer umfangreichen Körperverlagerung diesen Zustand wiederherzustellen.
Sie lässt sich in folgende Kategorien und Arten einteilen:[list icon=”sign-in”]
- Kategorien
- statisch (z.B. Handstand)
- dynamisch (z.B. balancieren am Balken, Seil usw.)
- labil (z.B. MFT- Platte, instabiler Untergrund)
- stabil (z.B. Langbank umgedreht)
- Beispiel: Kind geht rückwärts über eine Latte = dynamisch + stabil
- Arten des Gleichgewichts
- Standgleichgewicht: Erhalt und Wiederherstellung des Gleichgewichts bei Bewegungen ohne Ortsveränderung unter verschiedenen Bedingungen (Beispiel: Schiessen, Landungen nach Sprüngen, Haltepositionen)
- Balanciergleichgewicht: bei Bewegungen mit Ortsveränderung (Beispiele: Schwimmen, Radfahren, Skilanglauf, Rodeln)
- Drehgleichgewicht bei und nach Drehbewegungen um Längs-, Breiten- oder Tiefenachse (Beispiele: Drehbewegungen bei LA(Leichtathletik)-Würfen, Schwimmwende)
- Fluggleichgewicht in stützlosen Phasen – meist kombiniert mit Drehgleichgewicht (Beispiele: Flugphasen bei LA(Leichtathletik)-Sprüngen, Turmspringen)[/list]
[/tab]
[tab label=”Orientierung”]
Die Orientierungsfähigkeit ist die Fähigkeit, den Körper im Verhältnis zu Umwelt und Zeit richtig einzuschätzen und die eigenen Bewegungen bezüglich eines definierten Raumes oder Objektes richtig abstimmen zu können. Man kann also von Wahrnehmungen und Orientierung in Relation zur umgebenden Umwelt (Erdoberfläche, Geräte und andere Personen) sprechen.[list icon=”sign-in”]
- Informationsaufnahme über Sensoren:
- Lage des Kopfes im Raum – optisch und vestibulär (Orientierung über den Gleichgewichtssinn) – mit dem Kopf werden die meisten Bewegungen eingeleitet
- Lage der Körpergelenke – kinästhetisch
- Weitere relevante Aspekte:
- Raum und Zeit
- Basisvoraussetzungen für translatorische und rotatorische Bewegungen – hoher Bezug zu Drehgleichgewicht
- Bezug Bewegung – Kopfposition[/list]
[/tab]
[tab label=”Differenzierung” last=”yes”]
desto ausgeprägter diese Fähigkeit, desto qualitativ hochwertiger kann die Bewegung ausgeführt werden.
- Art der Bewegungsausführung
- Präzision z.B. Golf
- Geschwindigkeit/Zeit z.B. Bremstechniken
- Art der Bewegungsparameter
- Raum z.B. Freestyle
- Zeit z.B. Service-Annahme
- Kraft z.B. Carving
- Art des motorischen Einsatzes
- Feinmotorik z.B. Hand, Fuß
- Grobmotorik z.B. Rumpf, Arme
- Art der Umweltbedingungen
- Umfeld z.B. Boden, Wetter
- Geräte z.B. starr, sich bewegend
- Gegner/Partner z.B. reagierend, in Bewegung [/list]
[/tab]
Manche Autoren verwenden neben den fünf zuvor beschriebenen Fähigkeiten auch noch zwei weitere um die Koordination umfassend zu beschreiben. Es sind dies die Kopplungsfähigkeit (verschiedene Bewegungsformen zeitgleich und/oder zeitnah hintereinander durchführen) und die Umstellungsfähigkeit (schnelle Anpassung an neue Situationen, z.B. veränderter Untergrund).
Einteilung anhand Aufgabenstruktur
Die Koordination kann auch anhand ihrer Aufgabenstruktur eingeteilt werden. Dabei spielen vor allem Koordinationsübungen unter verschiedenen Drucksituationen eine große Rolle.[list icon=”sign-in”]
- koordinative Anforderungen von Bewegungsaufgaben
- effferente Infoarmationsverarbeitung (feinmotorisch/grobmotorisch)
- afferente Informationsverarbeitung (optisch, akustisch, taktil, kinästhetisch, vestibulär)
- Zeitdruck
- Präzisionsdruck
- Komplexitätsdruck
- Organisationsdruck
- Belastungsdruck
- Variabilitätsdruck[/list]
Koordination unter verschiedenen Druckbedingungen:
[tab label=”Zeit” first=”yes”]
- Bewegungszeit oder Geschwindigkeit
- Reaktionsschnelligkeit
- Entscheidungsschnelligkeit[/list]
[/tab]
[tab label=”Komplexität”]
Unter Koordination unter Komplexitätsdruck versteht man Bewegungen, bei denen es auf eine Bewältigung vieler hintereinander geschalteter (sukzessiver) Anforderungen ankommt. Organisationsdruck meint Bewegungen, bei denen es auf eine Bewältigung vieler gleichzeitiger (simultaner) Anforderungen ankommt. Auch die Seitigkeit (li/re) spielt hier eine Rolle.
[/tab]
[tab label=”Belastung”]
Unter Koordination unter Belastungsdruck versteht man „Bewegungen, bei denen es auf eine Bewältigung von Anforderungen unter psychisch-konditionellen Belastungsbedingungen ankommt“
Die Qualität der Bewegungskoordination ist abhängig von Belastungsintensität und Belastungsdauer und unterliegt den Kriterien Vorbelastung/Beanspruchung und Aktuelle Belastung/Beanspruchung.
[/tab]
[tab label=”Variabilität”]
Unter Koordination unter Variabilitätsdruck versteht man „Bewegungen, bei denen es auf die Bewältigung von Anforderungen unter wechselnden Umgebungs-/Situationsbedingungen ankommt“[list icon=”sign-in”]
- Variabilität äußerer Bedingungen/Situationskomplexität:
- Anforderungen an Umweltorientierung
- Fähigkeit zur Anpassung/Umstellung
- Weiteres Kriterium:
- Antizipierbarkeit = Vorausahnungsfähigkeit
- wie hoch ist der Bekanntheitsgrad der bevorstehenden Situationen (kennt der Fahrer diese Situationen)[/list]
[/tab]
[tab label=”Präzision” last=”yes”]
Aspekte der Genauigkeitsanforderungen:[list icon=”sign-in”]
- Zielgenauigkeit (=Ergebnisgenauigkeit)
- Verlaufsgenauigkeit (=Präzision der Ausführung)[/list]
[/tab]
Weiterführende und verwendete Literatur zum Thema Koordination:
Mucha, E. (2005). Vorlesung Einführung in die Trainingswissenschaft. Wien: Sportuniversität Wien.
Weineck, J. (2004). Sportbiologie. 9. Auflage. Balingen: Spitta.