Minimalistisches Krafttraining ist stark im Kommen.
Aber was verbirgt sich dahinter überhaupt?
Lerne die Philosophie kennen und entdecke, wie auch du davon profitieren kannst.
Ich habe das Schlagwort minimalistisches Krafttraining selbst erst vor wenigen Monaten von Max Brandl zum ersten Mal gehört. Max war auf meiner Baustelle unter anderem für die Verputzarbeiten mit Lehm- und Kalkputz zuständig und hat mich von Beginn an beeindruckt.
Max ist so gar kein klassischer Bauarbeiter, von denen ich in den letzten Monaten auch so einige kennen gelernt habe, sondern trainiert regelmäßig, ist mental und körperlich extrem stark, achtet auf seine Ernährung und insgesamt seine Gesundheit. Er gibt sein Wissen auch im 1:1 Coaching weiter und versucht täglich, ein Stück weiter besser als am Vortag zu werden.
Sein Konzept – insbesondere minimalistisches Krafttraining – hat aber auf Anhieb so gut zu mir, meiner momentanen Lebenssituation und meiner Philosophie gepasst, dass ich darauf hin mein Training etwas umgestellt habe.
Meine Erfahrungen damit und wie auch du minimalistisches Krafttraining für dich umsetzten kannst, möchte ich dir mit diesem Artikel weitergeben.
Jetzt brauche ich deine volle Aufmerksamkeit!
Minimalistisches Krafttraining – was ist das überhaupt?
Der geläufigere Begriff ist sicher Krafttraining.
Aus sportwissenschaftlicher Sicht sprechen wir von Krafttraining, wenn wir einen gewissen Prozentsatz unserer Maximalkraft im Training verwenden.
Kraft ist die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Systems, durch Innervations- und Stoffwechselprozesse Muskelkontraktionen mit mehr als 30 % des individuellen Kraftmaximums durchzuführen und dabei Widerstände zu überwinden, ihnen nachzugeben oder sie zu halten. ~ Dieter Steinhöfer, 2003
Also, das bedeutet, dass man erst von Kraft und somit auch von Krafttraining spricht, wenn man eine gewisse Schwelle seiner maximalen Kraft erreicht hat. Beim Laufen beispielsweise handelt es sich nicht um Krafttraining, da dafür weniger als 30 % der Maximalkraft der Beinmuskulatur benötigt werden. Laufen ist daher vielmehr eine Belastung für die Ausdauer.
Für Sportler, die ihren Arm und insbesondere den Bizeps trainieren möchten, ist es wichtig zu wissen, dass Krafttraining nicht unbedingt bedeutet, ins Fitnessstudio zu gehen oder Hanteln zu verwenden – es kann genauso gut mit dem eigenen Körpergewicht durchgeführt werden! Beispiel gefällig? Siehe hier: Armtraining ohne Geräte: Starke Arme auch zuhause!.
Im Krafttraining geht es also auch darum, die Übungen entsprechend anzupassen, sodass man weder über- noch unterfordert ist. Am Anfang kann eine Übung als angemessen für einen selbst betrachtet werden, wenn man etwa 15 Wiederholungen ohne Pause schafft.
Falls man weniger als 10 Wiederholungen ohne Pause schafft, sollte man die Übung etwas vereinfachen. Übersteigt man jedoch 20 Wiederholungen ohne Pause, ist es ratsam, die Übung etwas zu erschweren. Fortgeschrittene können bereits jeweils ein paar Wiederholungen tiefer ansetzen – natürlich mit gesteigerter Intensität: Intensitätstechniken: Wie du dein Bodyweight Training perfekt auf dich anpasst
Jetzt haben wir die Kraft genauer definiert.
Aber was ist mit dem Begriff Training? Auch hierbei lohnt es sich, ihn mal unter die Lupe zu nehmen …
Training ist die planmäßige und systematische Realisation von Maßnahmen (Trainingsinhalte und Trainingsmethoden) zur nachhaltigen Erreichung von Zielen (Trainingsziele) im und durch Sport. ~ Hohmann, Lames & Letzelter (2014)
Ist einer der 3 Faktoren (Regelmäßigkeit, Systematik, Nachhaltigkeit) nicht gegeben, so sprechen wir von Üben und nicht von Training!
Diese Frage kannst du dir gleich selbst stellen: Übst du noch oder trainierst du schon? 😉
Bleibt noch eines zu klären: Was hat es mit dem Minimalismus auf sich?
Im Kern geht es wie so oft um das Paretoprinzip: Mit 20 % des Gesamtaufwandes 80 % der Ergebnisse einfahren.
Heißt also auch: Effizient trainieren, unnötiges weglassen.
Klingt gut?
Ist es auch.
Aber wie funktioniert das?
Nun, grundsätzlich ist auch Bodyweight Training an sich ein Teil des Konzepts. Denn Minimalismus bedeutet auch – Gewichte weglassen. Und trotzdem stärker und fitter werden, indem du die Übungen progressiv erschwerst. Du kennst das schon: Intensitätstechniken!
Du kannst beispielsweise beim Absenken im Liegestütz (machst du normalerweise schnell und unachtsam) aufmerksam bleiben und das Absenken sehr langsam durchführen. So belastest du deine Muskeln auch in dieser Phase maximal.
Hinzu kommt die Bewegung im ganzen Bewegungsumfang der Gelenke (FROM = Full Range of Motion).
Selbstverständlich können auch Aspekte des hochintensiven Intervalltrainings (HIIT) mit ins minimalistische Krafttraining hineinspielen.
Aber wie kann minimalistisches Krafttraining in der Praxis aussehen?
Minimalistisches Krafttraining in der Praxis
Zunächst solltest du dir überlegen, wie viel Zeit du in dein Training investieren kannst und möchtest.
Bei minimalistischem Krafttraining bist du bereits mit nur 45-60 Minuten pro Woche bestens dabei.
Dabei kannst du außerdem wählen, mit welcher Regelmäßigkeit du trainierst.
Wie oft pro Woche trainieren
Manchmal wird sogar nur ein Training pro Woche herangezogen.
Wenn das für dich gut funktioniert, go for it!
Ich empfehle zumindest 2 Trainingseinheiten pro Woche, die dann auch schon mal 30 Minuten dauern können. Für Minimalisten tun es aber auch hier schon 2x 10-15 Minuten.
Frei nach dem Motto: Jedes durchgeführte Training ist besser als kein Training!
Wenn du eher der Typ für Regelmäßigkeit bist, kannst du dir dein Training aber auch täglich in kleinen Häppchen (nur 12 Minuten) vornehmen und dir einen Ruhetag pro Woche gönnen.
Auch dazwischen gibt es unterschiedliche Spielarten.
Denk auch daran, dass ich in weiterer Folge bei den 12 Minuten Einheiten von der reinen Trainingszeit spreche. Ein kurzes Warm Up (in ein paar Minuten erledigt) empfehle ich in jedem Fall!
Warum eigentlich 12 Minuten?
Weil du darin gerade noch gut 4 Übungen (Drücken, Ziehen, Beine, Core) unterbringst und damit auch ein Ganzkörpertraining in kompakter Zeit durchführen kannst.
Welche Trainingsmethoden du verwenden kannst
Es gibt ein paar Trainingsmethoden, die sich für diesen kurzen und intensiven Einsatz am besten eignen.
Lass sie uns kurz gemeinsam durchgehen.
#1 EMOM – Every Minute on the Minute
Dieser Ansatz kommt aus dem Crossfit und bedeutet, dass du zu jeder vollen Minute eine vorher definierte Wiederholungszahl einer Übung startest.
Ich stelle meine 12 Minuten Sequenz gerne so zusammen: 10 Klimmzüge, 10 Pike Push Ups mit erhöhten Beinen, 10 einbeinige Kniebeugen, 10 Leg Raises im Hang.
Nach einem Durchgang sind also 4 Minuten um. Das Ganze mache ich dann 3 Mal, dann sind 12 Minuten um.
Sieht dann so aus: Ich mache 10 schöne Klimmzüge mit sauberer Technik und brauche dafür ca. 25 Sekunden. Dann habe ich 35 Sekunden Pause bis ich mit den Pike Push Ups beginne, usw.
#2 Zirkelintervalle
Im Crossfit auch als AMRAP-Workout bekannt.
Du wählst dir ein paar Übungen, zum Beispiel wieder Ganzkörper-Training mit Klimmzügen, Liegestütze, Kniebeugen und Leg Raises.
Dann legst du die Wiederholungsanzahl und Zeit fest.
Zum Beispiel 5 Klimmzüge, 10 Liegestütze, 15 Leg Raises und 20 Kniebeugen.
Als Zeit kannst du wieder 12 Minuten heranziehen. Am besten sollte deine Workout Zeit zwischen 10 und 20 Minuten liegen. Deine Aufgabe ist es jetzt, so viele Durchgänge wie möglich von den vorgegebenen Übungen zu schaffen.
Pausen machst du so wenig wie möglich und so viele wie nötig.
#3 Stufenintervalle
Wenn du besonders auf eine Übung Wert legst – also dass du dich darin verbesserst – kannst du Stufenintervalle in dein Training einbauen.
Du wählst dazu eine Übung von der du ca. 10 Wiederholungen am Stück ohne Pause schaffst. Nehmen wir an, das wäre bei Liegestützen der Fall.
Dann stoppst du für 7,5 Minuten die Zeit und startest mit 1 Liegestütz. Kurz ausschütteln, 2 Liegestütz. Wieder ganz kurze Pause, 3 Liegestütze, usw. Die Pausen werden immer länger, desto mehr Wiederholungen du machst. Wenn du merkst, dass du nicht mehr höher hinauf gehen kannst – nehmen wir an bei 8 Liegestützen merkst du, dass du keine 9 mehr schaffst – dann gehst du die Stufe wieder hinunter und machst nach der nächsten Pause wieder 7 Wiederholungen bis du wieder bei 1 angekommen bist. Dann startest du neu solange die 7,5 Minuten noch nicht um sind.
Du kannst beispielsweise einen Stufenintervall mit jeweils einem Satz von drei anderen Übungen kombinieren und schaffst so wieder in 12 Minuten ein intensives Workout.
Auch möglich wäre ein Split-Training, also nur 2 große Muskelgruppen trainieren – zum Beispiel Stufenintervall Liegestütze und Stufenintervall einbeinige Kniebeuge (Dauer dann insgesamt 15 Minuten) und bei der nächsten Trainingseinheit dann 2 andere Muskelgruppen.
#4 Turbulence Methode
Die Turbulence Methode ist anstrengend, aber wirkungsvoll.
Du machst eine Kräftigungsübung mit 8 bis max. 15 Wiederholungen, mit einer Intensität, dass dir die letzte Wiederholung in diesem Wiederholungsbereich schon sehr schwer fällt.
Dann gehst du direkt zu einer Cardioübung über und machst diese für eine Minute. Dann wieder die Kräftigungsübung und so weiter, bis die Zeit um ist. Pausen hältst du möglichst kurz.
Als Zeitrichtwert kannst du 15 bis 25 Minuten heranziehen. Alternativ kannst du auch zwischen 2 Kräftigungsübungen während einer Einheit switchen.
#5 Klassisches Krafttraining – Überlastungsmethode
Auch die Überlastungsmethode kannst du für dein minimalistisches Krafttraining nutzen.
Du verkürzt dabei etwas die Pausenzeiten, machst 2 Sätze pro Übung und gehst beim 2. Satz “all out” – sprich gibst wirklich muskulär alles.
Du wählst die Intensität der Übungen dann so, dass du zwischen 8 und max. 15 Wiederholungen schaffst (ohne Pause). Du kannst dir dann max. wieder 4 Übungen auswählen und hast dann 3 Minuten pro Übung Zeit dich auszubelasten. Auch das wird ziemlich intensiv!
#6 Bring Sally Up Challenge
Auch spaßige Methoden wie die Bring Sally Up Challenge eignen sich gut für ein minimalistisches Krafttraining.
Einfach Song einschalten und bei jedem Bring Sally Up hochgehen, bei Bring Sally Down nach unten. Das kannst du beispielsweise mit Liegestützen, Klimmzügen, Kniebeugen, Leg Raises, etc. gut durchführen.
Wenn du das mit 2-3 Übungen innerhalb einer Trainingseinheit durchziehst, wirst du schnell merken, dass du ordentlich trainiert hast.
Aber Achtung: Du solltest von der gewählten Übung ca. 15 Wiederholungen am Stück schaffen, damit es Sinn macht, damit die Challenge zu starten.
Entweder pausierst du den Song kurz, wenn du nicht mehr kannst und setzt dann am gleichen Punkt fort oder du switcht dann zur nächsten Übung.
Ich mache es eher so, dass ich den Song mit einer Übung fertig mache und dann erst nach einer kurzen Pause die Übung wechsle.
Fazit zum minimalistischen Krafttraining
Regelmäßiges Krafttraining ist essentiell für deine Fitness und Gesundheit.
Auch in den österreichischen Empfehlungen für gesundheitwirksame Bewegung sind muskelkräftigende Übungen (=Krafttraining) fixer Bestandteil.
Wenn du bisher davor zurückgeschreckt bist, regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen oder du nur wenige Zeit Ressourcen hast, ist minimalistisches Krafttraining genau der Ansatz, den du gesucht hast.
In meinem Online Kurs P.A.T. Bodyweight Training findest du ab sofort ganz neu auch zwei Trainingspläne für minimalistisches Krafttraining – einen mit nur 2 Einheiten pro Woche, einen mit 4-6 Einheiten pro Woche mit nur einem Zeitaufwand von ca. 12 bis 15 Minuten pro Trainingseinheit.