Im Zuge meines Sportstudiums hatte ich auch das Glück mich näher mit dem antiken Tanz – genauer gesagt dem griechischen Tanz und hier vor allem dem Sirtaki – zu befassen. Die Ergebnisse meiner Recherchearbeiten kannst du dir in diesem Artikel anschauen. Tauch auch ein in den Mythos Sirtaki und informiere dich umfassend.
Allgemeine Einführung in die Thematik Tanzen unter geschichtlich pädagogischem Blickwinkel
Den Tanz gibt es schon lange. So lange, dass man kaum sagen kann, wann und wo er entstanden ist. Der Tanz ist eine Form des Bewegens, die Gefühle manchmal besser ausdrücken kann als jede andere Form der Kommunikation. Der Tanz hat aber auch eine erzieherische und therapeutische Kraft, die seit alters bekannt ist. Viele primitive Völker versuchten beispielsweise durch Tanz böse Geister fern zu halten. Derartige Völker, zu denen ich auch die alten Griechen zählen möchte, sahen den Menschen als Körper-Seele-Einheit. Dieses Verständnis für den Tanz inspirierte auch den Dichter LUCIAN zu seinem romantischen Vers über den Tanz, der wie folgt lautet:
„Mit der Erschaffung des Universums ist auch der Tanz entstanden als eine Verschmelzung der Elemente. Der Rundtanz der Sterne, die Konstellation der Planeten in ihrer Relation zu den Fixsternen, die Schönheit ihrer Ordnung und die Harmonie all ihrer Bewegungen sind Spiegelbild des uranfänglichen Tanzes zu Beginn der Schöpfung“
Ein unglaublich tiefgängiger Vers, der mir besonders durch die astronomischen Vergleiche imponiert hat. Diese tiefe religiöse Bindung zum Tanz besteht in unserem Kulturkreis heute natürlich nicht mehr, was eigentlich schade ist. Das ist auch auf die damalige Ausbreitung des Christentums zu führen, die zu einer Zerspaltung der Einheit Körper-Seele führte. Von dieser Zeit an wird der Tanz als Götzendienst angesehen. Einzige Tanzkunstform war seit dem „Sonnenkönig“ Ludwig dem XIV. bis zum 20. Jahrhundert die des klassischen Balletts, dessen Hochsprünge und Pirouetten aber auf dem Ansatz beruhen, die irdische Schwerkraft zu überwinden.
Die heilende und erzieherische Kraft des Tanzes wurde erst durch die in San Francisco geborene ISADORA DUNCAN (1878-1927) wieder entdeckt.
Interessant umschreibt MOSCOVICI (1989) diese Frau wie folgt als eine Art Phänomen:
„Eine Wende in der Einschätzung des Tanzes wurde angebahnt, als die in San Francisco geborene Isadora Duncan vom Podest herabstieg, das Frauen in Form von Spitzenschuhen und Absätzen untergeschoben worden war, Korsett, Schuhe und Strümpfe ablegte und sich selber und ihre eigene seelische Befindlichkeit tänzerisch zu artikulieren begann“.
Auch EMILE JACQUES DALCROSE (1865-1950) versuchte erfolgreich die Musik in Bewegung umzusetzen um eine Verbindung zwischen Körper und Intellekt zu schaffen was natürlich geeignet war das erzieherische Potential des Tanzes weiter zu betonen.
Heutzutage wird durch die vielen privaten Institutionen, die Tanzunterricht geben wieder ein erzieherisches Bild des Tanzes propagiert. Es wird vermehrt auf das Phänomen Tanzen als ein erzieherisches und therapeutisches hingewiesen. In der Sportwissenschaft jedoch findet dieses Feld noch wenig Beachtung, so gibt es auch kaum Studien über den griechischen Tanz. Dennoch sind selbstredend einige Dinge bekannt.
Wichtige Fakten zum Griechischen Tanz der Antike
- Die Griechen kannten nicht nur kreisförmige Tänze, sondern auch Reihen mit Front-Gegen-Front Stellung oder Tänze, die frei im Raum aufgeführt wurden
- Beim Tanzen nahmen beide Geschlechter teil – jedoch getrennt
- Die Anzahl der Tänzer war nicht festgelegt und die Reigen wurden nach den augenblicklichen Verhältnissen strukturiert.
- Die Handhaltungen variierten je nach dem Gebiet und waren hauptsächlich V- oder W-förmig.
- Die Klänge, die die Tänze begleiteten, waren abwechslungsreich und kamen aus Blas-, Schlag- und Saiteninstrumenten.
- Die einzelnen Tänze konnte man, entsprechend ihrem Charakter, in religiöse, kriegerische und zivile Tänze einteilen
Wichtige Daten zum Griechischen Tanz der Neuzeit
Im Jahr 1911 wurde durch das „Lyceum griechischer Frauen“ die erste Volkstanzgruppe in Athen gegründet. Diese Vereinigung existiert bis heute und bietet jährlich viele Volkstanzveranstaltungen bis hin zu Aufführungen. DORA STRATOU gründete 1953 die „Gesellschaft für griechische Tänze“. Mit staatlicher Unterstützung wird ein Volkstanz-Ensemble ins Leben gerufen, das täglich Aufführungen durchführt. 1964 wurde das Theater für Griechische Tänze auf dem Philopappos-Hügel Eröffnet. Dieses Theater zeigt während des Sommers täglich Aufführungen. Ebenfalls in diesem Jahr erlangte der Sirtaki durch den Hollywood Film „Alexis Sorbas“ mit Anthony Quinn weltweite Berühmtheit. Im Jahr 1987 fand der erste Jahreskongress zur Tanzforschung in Larissa statt. Außerdem wurde die Griechische Sektion der Internationalen Organisation für Volkskunst gegründet, die eine Umgruppierung der Mehrzahl griechischer Volkstanzgruppen, Tanzleiter und Folkloristen einleitet.
Der Mythos Sirtaki
Name und Stil
Der Sirtaki (griechisch: συρτáκι) ist ein Kunsttanz, der im Gegensatz zu den meisten griechischen Volkstänzen nicht bei gefassten Händen im offenen Kreis getanzt wird, sondern in der Reihe, wobei die Tänzer ihre Arme über die Schultern der Nachbarn legen. Sirtaki ist die Verkleinerungsform von Sirtos, der traditionellsten Art griechischer Volkstänze; nahezu jede Insel(gruppe) hat ihren eigenen Sirtos, z.B. den Sirtos Skiros, den Sirtos Silivrianos von Naxos oder den Chaniotiko (Sirtos von Chania, Kreta). Es gibt auch auf dem Festland Tänze, wie den Sirtos der Sarakatsanen, die den Beinamen Sirtos tragen, aber mit dem Sirtos im 2/4 Takt mit dem Tanzrhythmus lang-kurz-kurz nichts zu tun haben. Der Sirtos wird im offenen Kreis und mit unbegrenzter Teilnehmerzahl getanzt, Sirtaki, der „kleine Sirtos“, wird wegen der Möglichkeit zur freien Kombination seiner Figuren (im Gegensatz zu den fixierten Schrittfolgen traditioneller Volkstänze) gewöhnlich nur von zwei oder drei aufeinander eingespielten Personen getanzt.
Ursprung
Hartnäckig hält sich die Legende, dass der Ursprung des Sirtaki ein „uralter griechischer Volkstanz“ sei, von dem es unzählige Variationen gebe und der international berühmt wurde durch den Hollywoodfilm Alexis Sorbas mit ANTHONY QUINN.
Tatsächlich wurde der Sirtaki 1964 zur Filmmusik von MIKIS THEODORAKIS für den Film nach dem Roman von NIKOS KATZANZAKIS erstmalig choreographiert, angeblich um dem tänzerisch wenig begabten QUINN die Darstellung zu erleichtern. Jedoch erhielt der Sirtaki seinen Namen vom Volkstanz Sirtos, eigentlich sirtos choros (griechisch: συρτóς χορóς), was der geschliffene oder geschleppte Tanz bedeutet und eigentlich im Gegensatz zum gesprungenen Tanz, dem pidiktos choros (griechisch: πηδηκτóς χορóς), steht; die Choreographie des neuen Tanzes lehnte sich mit zunächst langsamen Schritten an den konstantinopolitanischen Chasapiko („Tanz der Schlachter aus Konstantinopel“) an und geht zum Ende in die schnellere Schrittfolge des Chasaposervikos (sérvikos = serbischer = schnell; daher schneller Chassapikos) über.
Es lassen sich auch nähere Details zur Entstehung des Sirtaki während der Dreharbeiten zu dem Film „Alexis Sorbas“ erläutern. Der Name Sirtaki soll demnach von einer Plattenfirma, die die Filmmusik zu „Alexis Sorbas“ kreierte, entworfen worden sein, einfach weil er schön und griechisch klingt und dadurch überaus werbewirksam ist. Erst der Regisseur kam jedoch auf die Idee, die Hauptdarsteller beim Filmfinale zu der Musik des Sirtaki tanzen zu lassen; die Musik dafür ist zwar ungemein mitreißend und eindrucksvoll, aber leider zum seriösen Tanzen ungeeignet. Dazu kam, dass ANTHONY QUINN zwar ein hervorragender Schauspieler, aber kein begnadeter Tänzer war und ALLAN BATES sich knapp vor der Aufnahme den Knöchel verletzte. Der Regisseur ließ daraufhin einige Schritte andeuten, der Rest der Szene besteht aus raffiniert geschnittenen Einzeleinstellungen, die eine Tanzszene nur darstellen, aber bei denen gar nicht getanzt wird. Die enorme Temposteigerung gegen Ende ist völlig unauthentisch und hat in der Praxis meist nur die Folge, dass die Tanzenden mit irgendwelchen schnellen Schritten über die Tanzfläche taumeln und ein ziemlich würdeloses Bild abgeben.
So wurde aus einem alten byzantinischen Volkstanz also ein Tanz unter anderem Namen, nämlich Sirtaki, der vor allem für Touristen das kulturell-tänzerische Bild Griechenlands nachhaltig prägte.
Zum Abschluss
In diesem Artikel habe ich versucht mir einen griechischen Tanz, der wie wir jetzt wissen eigentlich gar keiner ist, nämlich den Sirtaki näher anzusehen. Wahrscheinlich gibt es noch viele weitere Dinge über den Sirtaki zu berichten, doch das würde vermutlich den Rahmen dieses ohnehin schon langen Artikels sprengen. Interessant zu wissen ist jedoch sicherlich, dass es insgesamt weit über 2000 griechischer Tänze gibt, die regional gemeinsame Merkmale aufweisen, sich aber von Dorf zu Dorf, gerade in gebirgigen Gegenden, auch sehr stark unterscheiden können (was sich auch in den Trachten widerspiegelt). Meistens werden offene Kreistänze mit verschiedenen Armhaltungen getanzt, wobei es ebenfalls Paartänze und Reihentänze gibt.
Verschiedene antike Darstellungen zeigen, dass bereits in der Antike getanzt wurde und sich charakteristische Merkmale bis heute erhalten haben – inwieweit dies ungebrochen darstellbar ist, sei dahingestellt. Verschiedene Institutionen weltweit und das Dora-Stratou-Theater in Athen, das sich als lebendes Museum bezeichnet, haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Tänze in den Dörfern zu erforschen, filmisch festzuhalten und sie innerhalb der Theatertanzgruppen zu praktizieren, um sie zu bewahren. Dabei spielen die Erhaltung und Vermittlung des Tanzkontextes, die Geschichte und die Trachten eine wesentliche Rolle.
Quellenverzeichnis zum Thema Sirtaki:
KRAMER, Klaus; RAFTIS Alkis: Dora Stratous Griechische Tänze. Deutscher Bundesverband Tanz e. V., Deutschland 1996
MOSCOVICI, Hadassa: Vor Freunde tanzen, vor Jammer halb in Stücke gehen. Luchterhand Literaturverlag, Frankfurt 1989.
MOURATIDOU, Ekaterini: Griechische Tänze: eine historische und tanzpsyochologische exemplarische Studie. Sport und Buch Strauss, Köln 1995
WOSIEN, Maria-Gabrielle: Der Tanz im Angesicht der Götter. Kösel Verlag, München 1987.
http://www.wikipedia.at
http://www.beepworld.de/members43/pareavienna/